Klaus
Panster
Diskussionsbeitrag
am 26.Nov.95 im Arbeitskreis
II
auf der Konferenz "Fünf
Jahre PDS in der BRD. Die historisch-politische Debatte der PDS"
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Ergänzend zu W. Hartmanns
Beitrag möchte ich einiges über inhaltliche Differenzen unter ehemaligen
Mitarbeitern des MfS in der
Debatte um Geschichte, Rolle und Wirken des MfS sagen.
Ich war über 30 Jahre
Abwehroffizier im MfS.
Unterschiedliche Positionen
finden ihre Polarisierung einerseits in einer Haltung, die vom Bemühen um
kritische Auseinandersetzung mit unserem Tun und Lassen bestimmt ist, und
andererseits in einer Rechtfertigung des Gewesenen. Solche Kurzbestimmung
bedeutet Vergröberung, im Kern ist die Aussage aber zutreffend.
An Beispielen sei das
verdeutlicht:
Zum Verhältnis zwischen
Sicherheitsverständnis und Sicherheitspolitik der SED-Führung und Rolle des MfS
gibt es Darstellungen, die darauf hinauslaufen, das MfS als lediglich
ausführendes Organ der Sicherheitspolitik darzustellen. Aufgrund der auch
verfassungsrechtlich verankerten Führungsrolle der SED, die im MfS ein Axiom
war, habe das MfS in dieser Beziehung eine Objekt-Rolle gespielt.
Dem gegenüber steht die
Auffassung, daß das MfS wesentlichen Einfluß bei Erarbeitung und Ausformung der
Sicherheitspolitik der SED genommen hat : durch Lageeinschätzungen und
Vorschläge gegenüber der Parteiführung, durch den Platz des Ministers im Politbüro
und am Ohr des Generalsekretärs, durch die Wechselbeziehungen zur
Sicherheitsabteilung des ZK. Das MfS war also durchaus Subjekt in dieser
Beziehung. Die Sicherheitspolitik ist durch uns mit zu verantworten.
Zweitens sei die Haltung zu
den in der Arbeit des MfS angewandten Mitteln und Methoden genannt. Wie stehen
wir heute dazu, im Widerspruch zu unserem humanistischen Anspruch z.B. Menschen
unter Druck für eine Zusammenarbeit mit dem MfS angeworben zu haben ?
In der internen Diskussion
gibt es dazu heute radikal ablehnende Auffassungen als mit Humanität nicht
vereinbar. Dem wird entgegengehalten, daß solche Methoden uns zweifelsfrei wesensfremd waren, aber durch die westlichen
Angriffe aufgezwungen. Ohne Nutzung des ganzen Arsenals der Waffen, mit denen
gegen uns gekämpft wurde, hätten wir
keine Erfolgschance gehabt. Gerade der Humanismus, der im Bestreben lag, im
Interesse des Friedens und des antikapitalistischen Versuchs die DDR zu
stabilisieren, habe die Anwendung solcher Methoden ( leider ) zwingend gemacht.
Eine dritte Auffassung - zu
der auch ich neige - geht dahin, daß solche Methoden in der
nachrichtendienstlichen Auseinandersetzung, also zur Abwehr professioneller
Angriffe mit konspirativen Mitteln unverzichtbar und legitim waren, aber
unvertretbar in der Anwendung z.B. gegen Übersiedlungsersuchende oder
politisch Oppositionelle.
Übrigens zeigt dieses
Beispiel, daß es nicht um bipolare Auseinandersetzungen geht, sondern um eine
Vielfalt von Meinungen.
Die Diskussion um
Arbeitsweisen hat noch eine weitere Dimension: die Auseinandersetzung mit dem
Vorwurf, im MfS habe die Devise gegolten, der Zweck heilige die Mittel, weshalb
wahllos zu Bürger- und Menschenrechte verletzenden Methoden gegriffen worden
sei. Daß im MfS durchaus eine Abwägung in dieser Hinsicht erfolgte, ist leicht
beweisbar, wenn man sich ernsthaft mit den Tatsachen befaßt. Damit halten
einige unter uns den benannten Vorwurf für abgeschmettert. Das Problem liegt
tiefer. Unter welchen Aspekten wurde abgewogen ? Es ging darum, ob ein Mittel,
eine Methode Erfolg versprach, und ob die nötigen
Kapazitäten vorhanden waren ( auch vor dem MfS machte der Mangel partiell nicht
halt ). Es wurde also unter pragmatischen Gesichtspunkten geprüft, nicht unter
rechtsstaatlichen. Wir haben uns selbst nicht die Frage gestellt, ob der mit
Arbeitsweisen verbundene Eingriff in verfassungsmäßige Rechte und Freiheiten im
konkreten Falle unvermeidlich war, und es gab kein formales Verfahren, diese
Frage zu prüfen - was ja auch verzichtbar erschien, da die Frage nicht gestellt
wurde.
Die Zeitbegrenzung erlaubt
nicht, weitere Fragen und die unterschiedlichen Antworten darauf darzustellen. Wichtig ist mir, daß es nicht
um eine Differenzierung zwischen "Guten" und "Bösen" geht.
Die Fragen, denen wir uns stellen, sind nicht trivial, die Antworten liegen
nicht auf der Hand. Der Druck, der von der Verteufelung des MfS und seiner
Mitarbeiter ausgeht, sich pausenlos verteidigen zu müssen, fördert sichtbar die
Tendenz zur Rechtfertigung - oder zum Schweigen.
Was zu tun ist, das ist die
Weiterführung eines sachlichen, kritischen und selbstkritischen Streites unter
uns ehemaligen MfS-Mitarbeitern. Darum bemüht sich das Insiderkomitee zur
Aufarbeitung der Geschichte des MfS. Die äußeren Bedingungen für diese
Debatte, auch für die Einbeziehung von mehr Wissens- und Verantwortungsträgern,
werden zweifellos verbessert, indem politisch ein
Strafverfolgungsbeendigungsgesetz angestrebt wird, wie das im Bundestag durch
die PDS erfolgt.
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