Zur neuen Dauerausstellung im ehem. MfS-Dienstgebäude Berlin-Lichtenberg, Ruschestraße
In einer Zeit, in der kein Computer, kein Telefon, kein
Handy und kein GPS-System vor dem totalen Zugriff der Geheimdienste sicher ist,
in der immer mehr Gebäude, Bahnhöfe, Straßen und Plätze mit Videoüberwachung
aufgerüstet werden, in der in Sekundenbruchteilen alle Spuren verfolgt werden
können, die Menschen im Internet, speziell in sozialen Netzwerken, hinterlassen
haben, relativieren sich viele Anschuldigungen gegen das MfS.
Die am 17.01.2015 neu eröffnete Dauerausstellung auf drei
Etagen des Hauses 1 im MfS-Gebäude-Komplex Rusche-/Normannenstraße
bietet keine Überraschungen. Man kann Franziska Augstein zustimmen, wenn sie in
der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16.01.2015 schreibt: „Da überwiegt die klare Trennung zwischen Tätern und Opfern. Das ist
problematisch. Schwarz-Weiß-Malerei wird Diktaturen nicht gerecht, schon gar
nicht dem SED-Regime. Die meisten DDR-Bürger hatten irgendwann für ihre
Regierung nicht das Geringste mehr übrig; aber viele arrangierten sich, andere
waren zwar gegen die Regierung, fanden die Idee des Sozialismus jedoch recht
gut. Die Grauzonen, das Gegen- und Miteinander werden in der Ausstellung
überblendet. Sie präsentiert eine Meistererzählung, zum Abwägen und Nachdenken
lädt sie nur gelegentlich ein. Sie kommt dem sehr nahe, was Volkhard Knigge
einmal als „dirigierte Geschichtskultur“ bezeichnet hat.“
Zu ergänzen wäre, dass der Kalte Krieg, der die Arbeit
des MfS maßgeblich bestimmt hat, in der Ausstellung bestenfalls indirekt
vorkommt. Selbstverständlich immer in jener bekannten Version, die keinen Zweifel
daran lässt, wer im Kalten Krieg das Gute und wer das Böse verkörpert hat.
Alles was gezeigt wird, ist schon hundertfach in der
Öffentlichkeit ausgebreitet worden: das Thema Inoffizielle Mitarbeiter,
Überwachung mittels Observation, Foto- und Abhörtechnik, konspirative
Wohnungsdurchsuchungen, Vertuschung von Todesfällen an der Grenze,
Entführungen, Verhaftungen, Zersetzung, Freikauf von Häftlingen usw. usf.
Dazu das besondere Erlebnis für alle Besucher, die
Arbeitsräume Erich Mielkes einmal persönlich in Augenschein nehmen zu können, und
dabei festzustellen, dass sie nicht der heutigen Mode entsprechen. Das einmalige
High light: ein Foto am Schreibtisch Erich Mielkes.
Interessant ist vor allem, was in der Ausstellung nicht
gezeigt wird. Auftragsmorde oder Folter seitens des MfS kommen nicht vor. Bei
aller Einseitigkeit sind die Macher der Ausstellung um Seriosität bemüht. Das
ist schon sehr viel in einer Zeit, in der Journalisten und Drehbuchautoren dem
MfS immer wieder von Neuem alle Scheußlichkeiten
dieser Welt andichten.
W.S., 23.01.2015