Göbbels-Propaganda
pur
Die
online-Ausgabe des „Tagesspiegels“ veröffentlichte am 21.01.2017 einen Beitrag
von Harald Martenstein zur Entlassung des Staatsekretärs Andrej Holm
unter dem Titel „Alte Stasi-Tradition“.
Dieser
Artikel enthält geradezu ungeheuerliche Behauptungen und Vergleiche, die auf
dem Niveau übelster Goebbelspropaganda angesiedelt sind.
„Wir
reden oft über Flüchtlinge, warum nicht auch mal über diese: Vier Millionen
Menschen sind aus der DDR geflohen. Die meisten haben dabei, wie heute die
Syrer, alles zurückgelassen“, schreibt Herr Martenstein.
DDR und Syrien? Wo fielen in der DDR Bomben, wo wüteten menschenverachtende
Terrororganisationen, wo herrschte Hunger und Elend? Nur jeder Siebente
republikflüchtige DDR-Bürger wurde im Westen als „Politischer Flüchtling“
anerkannt, der Rest waren nach heutiger Sprachregelung
„Wirtschaftsflüchtlinge“. Eine Million der 4 Millionen ist erst nach 1990 in
die Alt-BRD gewechselt. Wovor sind diese Menschen geflohen?
„Die
Stasi hat mindestens 200.000 DDR-Bürger in den Knast gebracht. Mindestens 2500
starben, viele von ihnen bei fingierten Unfällen oder durch Suizid. Eine Spezialität
der Stasi hieß „weiße Folter“, dabei entstanden keine körperlichen Spuren,
statt dessen sollte die Persönlichkeit des Opfers zerstört werden.“ Schreibt
Herr Martenstein weiter.
Die
Zahl 200.000 ist wohl kaum seriös ermittelt und ohne differenzierte
Aufschlüsselung von nur begrenztem Aussagewert. Waren denn alle vom MfS
Inhaftierten unschuldige Opfer willkürlicher Verfolgung? Hatte die DDR kein
Recht, Spione, Saboteure, Diversanten, Terroristen, Brandstifter, Mordhetzer,
Menschenhändler und Schleuser oder Nazi- und Kriegsverbrecher zu inhaftieren?
Ist es erwähnenswert, dass 2.500 (?) Inhaftierte gestorben sind, wie auch
normale Bürger kein ewiges Leben haben? In Berlin-Hohenschönhausen gab es in
nahezu 40 Jahren insgesamt 5 Suizid-Fälle, weniger als in jeder großen
bundesdeutschen Haftanstalt je Jahr. Wie viele fingierte Unfälle wurden
eigentlich aufgedeckt? Bisher ist nicht ein einziger dokumentiert! Die von
Herrn Martenstein entdeckte „weiße Folter“ hat es an sich, dass sie
nicht nachweisbar ist. Sie kann deshalb einfach behauptet und muss auch nicht
nachgewiesen werden! Eine geradezu lukrative Einladung für Hetzer und
Verleumder.
„Dass
es Gefühle verletzt, wenn ein Folteropfer ein Mitglied der Folterfirma als neue
Regierung vorgesetzt bekommt, und zwar eines, das nicht einmal das Billigste
und Mindeste zu geben imstande ist, nämlich ein Zeichen der Selbstreflexion,
also ein Indiz dafür, dass er, bei Gelegenheit, heute nicht wieder in eine
ähnliche Firma mit ähnlichen Methoden eintreten würde – dieser Gedanke ist
offenbar zu bizarr, als dass er bei der Linken viele Freunde fände.“ Das
MfS war demnach eine „Folterfirma“. Eigenartig ist nur, dass nach 1990 trotz
eifrigsten Bemühens kein einziger Mitarbeiter des MfS, kein einziger DDR-Bürger wegen
Folter angeklagt oder gar verurteilt wurde. Auch die Ausflucht, man habe
schließlich nach DDR-Recht urteilen müssen, greift nicht. Folter war auch nach
DDR-Recht problemlos abzuurteilen. Nachdem in der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen etwa 20 Jahre lang nachträglich eingebaute
Wasserfolterzellen gezeigt worden waren, wird heute darauf verzichtet. Es hat
nicht gestört, dass sich kein einziges Folteropfer gemeldet hatte, wohl aber
dass unsere amerikanischen Freunde mittlerweile demonstriert haben, wie Wasserfolter
wirklich geht. Die nachgestalteten Phantasien von Karl May wirkten dagegen
schon lächerlich.
Andrej
Holm hat sich in seinen Stellungnahmen – keinesfalls zur Freude ehemaliger
Mitstreiter – brav vom MfS distanziert und die ihm abverlangte Reue gezeigt. Es
bleibt das Geheimnis von Herrn Martenstein, wie er zu der Auffassung
kommt, dass er heute nicht wieder in eine ähnliche Firma mit gleichen Methoden
eintreten würde. Noch abenteuerlicher ist es, die LINKEN damit in Zusammenhang
zu bringen.
Wie viel antikommunistische
Verblendung, welch unbändiger Hass ist nötig, um einen solchen Artikel zu
schreiben? Wie panisch reagieren die heute Herrschenden auf die Krise des
eigenen Systems, dass sie solche Schreiberlinge nötig zu haben glauben?
Nach 1990 wurden
DDR-Bürger in Größenordnungen wie heute in der Türkei aus ihren Ämtern gejagt,
Millionen wurden arbeitslos und ihrer Existenz beraubt, viele müssen sich mit
prekären Arbeitsverhältnissen abfinden, 2,5 Millionen Kinder leben in
Deutschland in Armut, Obdachlose und Drogenabhängige in schlimmsten
Verhältnissen. Wie viele Biografien wurden auf solche Weise zerstört, wie viele
Lebenschancen vernichtet? Der Hinweis auf zerstörte Persönlichkeiten in der DDR
hat nach 27 Jahren nur einen einzigen wirklichen Sinn: Ablenkung von den
Verbrechen des realen Kapitalismus.
W.S.
22.01.2017