Das „geheime“ Frauengefängnis
Hoheneck und die Wahrheit
Im 20. Jahr der Grenzöffnung
(die Mauer fiel erst später) ist ja schon viel Jauche auf die DDR gegossen
worden. Wenn es nicht so gefährlich wäre, könnte man es als eine Lach- und
Schießgemeinschaft abtun und sich darüber lustig machen. Was soll man auch
erwarten, wenn selbst das Amt des Bundespräsidenten herhalten muss, um Lügen
unter die Massen zu bringen, in dem man ihm unterschiebt, 1989 hätten in
Leipzig Panzer, schießwütige Polizisten und Blutkonserven bereitgestanden.
Nun „beglückte“ uns auf VOX
am 14.11. eine Spiegel-TV-Dokumentation: „Eingesperrt, um frei zu sein – Das
geheime Frauengefängnis der DDR“.
Gleich zwei dicke Lügen in
einem Titel. Was will man auch von einem Spiegelerzeugnis erwarten? In der
Strafvollzugseinrichtung Hoheneck verbüßten weibliche Straftäter ihre
Freiheitsstrafen für Mord, Totschlag, Kindesmisshandlung, Raub, Erpressung u.
a. Delikte, ja auch für versuchte Straftaten gegen die Staatsgrenze der DDR, so
genannte Republikflucht. Nach dem Film waren Mörder also eingesperrt, weil sie
nur „frei“ sein wollten.
Die nächste Lüge ist die Mär
vom „Geheimgefängnis“. Ich habe ja Verständnis, dass die
Parteisoldatenjournalisten gerne von den immer noch nicht aufgeklärten
Geheimgefängnissen der CIA in der EU ablenken wollen, wohin namenlose,
gefesselte, mit einer Kapuze überzogene, gefolterte rechtslose Menschen
verbracht wurden. Aber in der DDR gab es keine Geheimgefängnisse. Die
Vollzugseinrichtung Hoheneck stand im Verzeichnis aller
Strafvollzugeinrichtungen der DDR mit Anschrift und Telefonnummer. Dieses
Verzeichnis lag bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften vor. Die Anstalt
Hoheneck wurde, wie andere auch, durch die Staatsanwälte für
Strafvollzugsaufsicht bei der Bezirksstaatsanwaltschaft und beim
Generalstaatsanwalt, durch Kontrollgruppen der Verwaltung Strafvollzug, des
Innenministeriums und durch die Arbeitsgruppe Strafvollzug der Bezirksbehörde
der Volkspolizei regelmäßig kontrolliert. Darüber liegen Kontrollberichte in den
Archiven. Ein tolles Geheimgefängnis!
Heute gibt es in Deutschland keine
Justizvollzugsanstalt, die durch eine Institution des Bundes kontrolliert wird.
Der Strafvollzug ist Ländersache, gehört zum Justizministerium des Landes und
wird von diesem kontrolliert. Man kontrolliert sich selbst.
Alle Gefangenen in Hoheneck
bekamen regelmäßig Post und Besuch von ihren Angehörigen. Ca 600 – 1000
Verwandte fuhren monatlich aus allen Teilen und Bevölkerungsschichten der DDR
nach Hoheneck – und sie fanden das „Geheimgefängnis“!
Für alle Gefangenen in
Hoheneck bestand ein Recht auf Arbeit. Sie arbeiteten überwiegend in
Produktionsstätten innerhalb der Einrichtung, die Volkseigene Betriebe aus dem
Territorium dort errichteten oder ausstatteten und waren in der Zeit renten-
und krankenversichert. Ca 120 freie Bürger, Arbeiter dieser Betriebe, leiteten
die Gefangenen fachlich an. Sie kamen zu Arbeitsbeginn in die Anstalt und
gingen nach Arbeitsschluß wieder in ihr Wohnumfeld. Was für ein
„Geheimgefängnis“?
Im Film wird durch Aufnahmen
aus einem 100 Jahre altem Gefängnis, das seit
mehr
als 10 Jahren stillgelegt ist, mit all den in diesen Jahren
verfallenen Gemäuern, ein Gefühl des frühen Mittelalters erzeugt: marode, alt,
dreckig, verschimmelt, miefig und unmenschlich – totale Hoffnungslosigkeit. Mit
solchen Aufnahmen beleidigt man nicht nur die DDR, sondern auch die Frauen, die
dort eine Freiheitsstrafe verbüßten. Die Filmemacher haben vergessen, dass auch Mörder und Diebe
Menschen sind. Und die Frauen in Hoheneck haben aus eigenem fraulichem Antrieb
und durch Anleitung eine solide Ordnung und Sauberkeit gepflegt. Wäre dies in
einer Einrichtung, wo viele Menschen auf engem Raum leben, nicht so, es käme zu
Seuchen.
Da mancher Leser mir als
Kenner des Strafvollzuges der DDR und anderer Länder nicht glauben könnte, will
ich auf das Buch einer politischen Gefangenen verweisen, die in Hoheneck eine
Freiheitsstrafe wegen Staatsverleumdung verbüßte. In ihrem, auch mich
nachdenklich machendem autobiografischen Buch, „Die bröckelnde Festung“ (2002) schreibt Gabriele Stötzer u. a.:
"Essen gibt es immer genug, Kartoffeln, Soße und Gemüse können als Nachschlag geholt werden”, sagte Karla. “Zum
Frühstück gibt es Brot und Sirup, manchmal Marmelade, dafür immer ein kleines Stück Butter.”
Sie setzten sich an einen
der langen grauen Tische mit ebenso langen Holzbänken. Karla wies auf den Kiosk, der mit seinem Fenster
in den Essenssaal reichte und in der Mittagspause geöffnet hatte. Hier konnten die Gefangenen für Knastgeld, das aus Scheinen mit einem Stempel der
Strafvollzugsanstalt bestand, einkaufen. Neben Kosmetikartikeln, Obst,
Zigaretten, Kuchen, Süßigkeiten,
Brötchen, Milch,
Quark, Vitamintabletten oder Brause auch Papierbons, für die man sich, da es zu jeder Brotmahlzeit nur Malzkaffee gab, Bohnenkaffee oder schwarzen
Tee holen konnte. Außer in der Nachtschicht, da gab es besseres Essen:
Leber, alle sechs Wochen ein gegrilltes Hähnchen..”(S. 35)
“..Sachen, die sie sich
einmal im Monat zum Sprecher (gemeint ist der Besuch des Mannes) mitbringen lassen konnte oder die sie sich
alle zwei Monate in einem Paket schicken ließ. Die Pakete waren auf zwei oder drei Kilo beschränkt, was von der Erzieherin festgelegt wurde. Die
Beigaben zum Sprecher waren auf einen Geldwert von fünfzehn Mark begrenzt. Sie bestellte in den Paketen
teure und vom Gewicht her leichte Sachen und zum Sprecher schwerere oder
leichtverderbliche Dinge. In den Paketen ließ sie sich Parfüm, Zahnbürsten, Wimpernspiralen, Deostifte, Lidschatten und
Schreibwaren schicken. Gegen den immer gleichen Geschmack des Essens bestellte
sie sich einen runden Plastikstreuer mit mehreren Gewürzen, Knoblauch- und Fischpasten. Zum Sprecher
wechselten Äpfel,
Zitronen, Erdbeeren, Kirschen, Himbeeren über das Jahr hin zu Pampelmusen, Bananen und
Apfelsinen. Manchmal wünschte
sie sich weichgekochte Eier, Pfannkuchen oder sinnlose Dinge wie Blumen, die außerhalb der Geldklausel mitgebracht werden durften.
Alles mußte gekauft sein, Selbstgebackenes war verboten.”(S.44)
Wenn man diese Schilderung
mit dem Spiegel-Film vergleicht, möchte man meinen, Gabriele Stötzer war in
einem anderen Gefängnis. Übrigens, wenn Insassen bundesdeutscher
Vollzugsanstalten lesen, was ein Gefangener im DDR-Knast beim Besuch seiner
Angehörigen erhalten konnte, werden sie staunen. Im heutigen Knast darf der
Besucher nichts übergeben was häusliche Gefühle erweckt, sondern nur aus einem
Automaten in der Anstalt etwas Abgelagertes ziehen. Auf den 154 Seiten dieses
beeindruckenden Buches finden sich keine Hinweise zu Folter, Wasserzelle oder
andere Erfindungen in den Hirnen von Geschichtsfälschern.
Es gab in Hoheneck keine
Folter und keine Wasserzelle, in der Menschen gefoltert wurden. Die gezeigte
„Wasserzelle“ im Kellerverlies ist ein Nachbau und wurde für Filmaufnahmen
über die Nazizeit geschaffen. Nun präsentiert der Film eine ehemalige
Gefangene, die in den 70 er Jahren Zeuge einer Folter gewesen sei. Also vor
rund 40 – 50 Jahren. Auf die Nachfrage, warum sie bisher geschwiegen habe,
erklärte sie, sie sei von der Stasi eingeschüchtert worden. Eine Frage, die im
Film nicht gestellt wurde, stelle ich: Warum hat sie sich nicht seit 1990
gemeldet oder Anzeige erstattet?
Ich hoffe, dass nach der
Ausstrahlung des Films sofort die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen
aufgenommen hat.
Die Filmemacher gehen sehr
geschickt vor und präsentieren ihre verdrehten Nachrichten auf eine fiese Art
im Stile von Propagandafilmen von vor 1945.
Jedes Gefängnis aus der
Kaiserzeit, ob Hoheneck oder Celle bei Hannover, ist von seiner baulichen
Anlage, der räumlichen Enge, den dicken Mauern und kleinen Knastfenstern für
einen Vollzug einer Freiheitsstrafe ungeeignet.
Das wusste man auch in der
DDR und baute trotz geringen finanziellen Spielraums in den 70 er Jahren zwei
neue Vollzugseinrichtungen für weibliche Strafgefangene in Berlin-Grünau und
Hohenleuben. Auch dort verbüßten wegen Republikflucht verurteilte Frauen ihre
Strafe, aber solche moderneren Gefängnisse hätten sich schlecht für die Hetze
gegen die DDR geeignet.
In jedem alten Gefängnis, ob
Hohenleuben, Brandenburg-Görden oder Celle bei Hannover gibt es Kellerverliese,
die nicht für den Vollzug genutzt werden. Sie dienen als Lagerräume, sind mit
brandschutzsicheren Türen versehen und sollten in Notfällen genutzt werden (z.B.
als Luftschutzbunker). Nun diese seit 10 Jahren verfallenen Kellerräume als
Dunkelarrest zu verkaufen, ist gelinde gesagt eine arge Täuschung der
Öffentlichkeit. Die Disziplinarstrafe „Dunkelarrest“ gab es in der DDR nicht.
Es gab nur den Freizeitarrest, einfachen Arrest und verschärften Arrest in
einer Arreststation. Diese Strafen gibt es auch heute noch im Strafvollzug der
EU.
Der Zusammenschnitt von Ton-
und Bildaufnahmen ist ebenfall geschickt gemacht. Wenn die Frauen von
Schikanen, Drangsalierungen und Schlägen berichten, entsteht der Eindruck sie
meinten die „Wärterinnen“, „Wächterinnen“. Schon diese unkorrekte Bezeichnung
soll Suggestionen an die faschistische Zeit wecken. Im Film erzählen die Frauen
aber tatsächlich über die inneren Beziehungen, die Hierarchien und auch
Gruppenbildungen im kriminellen Milieu der Gefangenen. Auch keine Besonderheit
von Hoheneck, sondern leider Tatsache in jedem Gefängnis.
In jedem Gefängnis der Welt
gibt es aus unterschiedlichen Motiven Selbstverstümmlungen, Selbstmordversuche
und Selbstmorde und die Bediensteten kämpfen da gegen an, auch gegen den Willen
der Betroffenen. Zur Verhinderung dienen als erste Mittel Einzelunterbringung,
Zwangsjacke und Fixierungen am Bett, sowie eine verstärkte Kontrolle. Dabei schreien
und toben manche Gefangenen über lange Zeit. Wenn man dies im Film nicht sagt,
entsteht schnell für den nicht Eingeweihten der Eindruck, dies sei nur typisch
für das „Unrechtsregime“ DDR.
Große Empörung will der Film
vermitteln, dass in Hoheneck die politischen Gefangenen gemeinsam mit
kriminellen Gewaltverbrechern untergebracht waren. Das Normalste im
bundesdeutschen Strafvollzug! Man kann dies nachlesen in den Büchern von Egon
Krenz oder Klaus-Dieter Baumgarten. Das ehem. Staatsoberhaupt der DDR kam in
Moabit in eine verdreckte Zelle, nach Protest sofort in eine andere, auch
verdreckte. Er bat dann um Schrubber und Eimer und machte den Dreck weg. Auch
wer etwas über Schikanen im heutigen Justizvollzug wissen möchte, lese seine
„Gefängnisnotizen“.
Der Spiegelpropagandafilm
versucht auch ein negatives Bild über die Strafvollzugsbediensteten in Hoheneck
zu zeichnen. Fälschlicher Weise wird behauptet, dort seien Volkspolizistinnen
tätig gewesen. Ein Historiker, wahrscheinlich im Solde der Birthler-Behörde,
sagt im Film. „In den Strafvollzug kamen die, die wo anders nicht tauglich
waren.“ Dies mag auf den Einen oder
Anderen zutreffen, ist aber keinesfalls richtig. Die im Aufsichtsdienst
beschäftigten Strafvollzugsangehörigen hatten alle die 10. Klasse der
Polytechnischen Oberschule abgeschlossen, einen Beruf erlernt und einen
mehrmonatigen Lehrgang an der Schule für Neueingestellte besucht. Die für 60 –
80 Gefangene zuständige Erzieherin hatte einen Abschluß einer pädagogischen
Fachschule oder der Fachschule des Strafvollzuges (Studienzeit 2 Jahre).
Außerdem fanden regelmäßige Weiterbildungen statt, nicht nur in Marxismus.
Da Bundesdeutsche die Welt
nur mit ihrer eigenen Nabelschnur messen, verstehen sie nicht, dass die
sozialistischen Länder eine ganz andere Herangehensweise an den Vollzug einer
Freiheitsstrafe hatten. Man übernahm die sowjetischen Erfahrungen (kollektive
gesellschaftlich-nützliche Arbeit, kollektive Unterbringung wie beim Militär,
politisch-kulturelle Erziehung, zielgerichtete Wiedereingliederung von
Haftbeginn usw.). Das war bis in die UNO bekannt und die erzielten Ergebnisse auch.
Dies beweisen die Protokolle der Antifolterkommission der UNO und die alle vier
Jahre stattfindenden Kongresse „Zur Kriminalitätsvorbeugung und – bekämpfung und
der Behandlung von Strafrechtsverletzern.“ Über das Herangehen beim Vollzug der
Freiheitsstrafen kann man unterschiedlicher Meinung sein. Der Strafvollzug der
DDR hatte Licht und Schatten und war nicht durch das MfS bestimmt. Er war eine
Zwangsmaßnahme des Staates und griff tief in das persönliche Leben jedes
Gefangenen ein. Er war nicht unmenschlich. Wer in der DDR im Strafvollzug war,
denkt nicht mit Freude daran zurück. Wer heute im Knast sitzt auch nicht.
D. Winderlich