Leseprobe
Klaus Huhn
Die Anti-Gysi-Groschenoper
(Verlag
Wiljo Heinen Böklund 2008)
„…PEACHUM: Nochmals
zum zweiten Bettler: Zwischen `erschüttern´ und `auf die Nerven fallen´ ist
natürlich ein Unterschied, mein Lieber. Ja ich brauche Künstler. Nur Künstler
erschüttern heute noch das Herz. Wenn ihr richtig arbeiten würdet, müsste euer
Publikum in die Hände klatschen! Dir fällt ja nichts ein. So kann ich dein
Engagement natürlich nicht verlängern.“
Haargenau darum ging es am Mittwoch, dem 28. Mai
2008, als unter der Reichstagskuppel zur nächsten Treibjagd auf Gysi geblasen
wurde. Die Vorwürfe, die man gegen ihn erhob, erschütterten niemanden mehr und
drohten eher dem deutschen Publikum auf die Nerven zu fallen. Deshalb hatte man
vorsichtshalber eine Horde Schreihälse aus der Schar der NichtLinken-Abgeordneten
in den Saal beordert, die zwar nur für die ersten beiden Sitzreihen ausreichte,
aber rastlos wie einst die Londoner Bettler dazwischenbrüllten oder – siehe
oben.
Hier eine bescheidene Auswahl der dem offiziellen
Protokoll entnommenen Misstöne, die man im Parlamentsdeutsch als „Zwischenrufe“
bezeichnet:
(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Pfui!
Unglaublich! Unverschämt! Wieder vertuschen!)
(Dr. Carl-Christian Dressel
(SPD): Der Täter stilisiert sich zum Opfer!)
(Hildegard Müller (CDU/CSU): Sie sind Täter,
nicht Opfer! Markus Grübel (CDU/CSU): Lügen haben
kurze Beine!)
(Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU):
Das ist eine Unverschämtheit!)
(Julia Klöckner (CDU/CSU): Das ist eine Unverschämtheit!
Weitere Zurufe von der von der CDU/CSU: Peinlich! Empörend! Unerhört!)
(Dr. Stephan Eisel
(CDU/CSU): Wo waren Sie denn nun? Waren Sie im IM-Abhördienst oder nicht?)
(Dr. Stephan Eisel
(CDU/CSU): Sprechen Sie doch einmal über das, was Sie gemacht haben! Maria Michalk (CDU/CSU):Warum sprechen Sie denn nicht frei?)
(Zuruf von der CDU/CSU: Alles falsch!)
(Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich! Zurufe von der
SPD: Unverfroren – Unwürdig!)
Zu erwähnen wäre noch, dass sich die Zwischenrufer
als Personen gerierten, die entweder DDR-Geheimdienstspezialisten waren gelten
oder in der DDR grausam gelitten hatten:
Dressel – machte sein Abitur in dem Jahr, als die DDR unterging.
Eisel – war Redenschreiber im Bundeskanzleramt 1983
bis 1992.
Grindel – ist Fernsehjournalist
Grübel – wurde geboren am Neckar, nach 1990 Grundbuchamtchef
im Elbe-Dresden
Michalk – Sorbin, geboren im
Jahr der DDR-Gründung, dort Studium und Fernstudium und Arbeit.
Aufgetreten waren sie
natürlich nicht für die Zuschauer auf den halbleeren Rängen, sondern für die
Medien…“