Zweiheit statt Einheit
Einführende Bemerkungen von Ra Dr. Rainer Rothe
Der Duncker & Humblot Verlag Berlin hat in seiner Schriftenreihe Beiträge zur Politischen Wissenschaft Bd. 183 einen Titel des Autors RA Werner Mäder herausgegeben -Zweiheit statt Einheit- Versorgungsüberleitung Ost-
Er stellt den Ausspruch Friedrich Schorlemmers voran: „Was wir freilich gegenwärtig in diesem Land erleben, ist noch nicht einmal jener Versuch richtigen Ausgleiches, sondern eher das Recht des Siegers, des Stärkeren sowohl über die Geschichte wie über die Güter eines anderen Landes."
Es ist die
unendliche Geschichte, dass die versprochene Rentengleichheit zwischen Ost und West bisher zum Nachteil von einstigen DDR-Bürgern nicht erreicht wurde. Das Ergebnis
ist für
viele eine soziale Ausgrenzung bzw. ein Leben am Rande des Existenzminimums,
obwohl in vielen Verfahren und Prozessen gegen die diskriminierende Praxis
vorgegangen wurde. Der Autor stellt fest, die Einigung sei ein Blindflug im Nebel
ohne Navigationsinstrumente gewesen, was für die Arroganz der politischen Spitze spricht, wofür ein ganzes Land noch
heute büßen
muss. Es lagen der Gesetzgebung für das Beitrittsgebiet
falsche Einschätzungen zugrunde, die die
DDR noch heute diskreditieren und wesensbestimmend sind.
So z. B. sollten DDR-Rentner bewilligte Renten und Versorgungsansprüche in die BRD mitnehmen dürfen. Tatsächlich
war aber eine gewaltige Enteignung für fast alle Rentnergruppen
die Folge. Bestimmend war dabei das auf Kategorien Unrechtsstaat, Täter und Opfer reduzierte
Denken, was zum Grundgedanken des Rentenüberleitungsgesetzes führte und für viele zum
Rentenstrafrecht wurde. Das Übel
hat sich verfestigt, weil Gerichte und auch das Bundesverfassungsgericht weitgehend
diese Position der Bundesregierung übernommen haben. Für Bürger ist es beinahe unmöglich, gegen die gebaute
Staatsmacht vorzugehen und Änderungen
zu erreichen. Dass sie es dennoch weiter versuchen, ist Ausdruck ihres
ungebrochenen Rechtsgefühls.
Der Autor analysiert die einzelnen Wahlperioden und hebt besonders den
abgelehnten Antrag der Linken aus dem Jahr 2008 hervor. Er stellt fest, das Motto
ist immer das Gleiche: abweisen, verweisen, vertagen. Es wird oft von einem
abschließenden
Rentenüberleitungsabschlussgesetz
gesprochen, es sind aber keine Konturen erkennbar. Selbst Aufforderungen von
UNO-Gremien (insbesondere die Versagung von Versorgungsansprüchen für ehemalige Minister und
deren Stellvertreter zu beseitigen) veranlasste die Bundesregierung nicht zu
konkreten Maßnahmen.
Der Autor bekennt sich ausdrücklich
zu dem Motto „Wenn
Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht". Einen wesentlichen
Teil der Schrift wird dem Recht auf Eigentum und dem Recht an Eigentum gewidmet
Der Erwerb und die Erhaltung des Eigentums ist ein im Völkerrecht verankertes
Menschenrecht was auch seine Entsprechung im Grundgesetz
der BRD findet, Renten sind zweifelsfrei aus Arbeit entstandenes kapitalisiertes
Eigentum. Auch in der Verfassung der DDR war das persönliche Eigentum der Bürger garantiert. Durch
den Systemwechsel 1990 hat sich der Charakter des Eigentums nicht verändert. Es wurde nur als
Menschenrecht unter den Schutz des Grundgesetzes gestellt: Das ist bereits vor
dem Beitritt, nämlich
mit dem Einigungsvertrag vollzogen worden. Formaljuristisch ist schon falsch,
dass alle Ansprüche
und Anwartschaften aus der DDR liquidiert wurden. Trotz des Verfassungswechsels
besteht Kontinuität bei Anwartschaften und
Ansprüchen,
denn der Einigungsvertrag war Verfassungsgesetz
und völkerrechtlicher Vertrag, diese Tatsache hat das Bundesverfassungsgericht in häufig unzulässiger
Weise übersehen. Der Autor stellt fest, dass
die zum Rentenstrafrecht vorgesehene Verfahrensweise offensichtlich außerhalb der Vorstellungen der Schöpfer des Einigungsvertrages lag. Der Bundesgesetzgeber
schuf pauschale Eingriffsrechte für Gruppen und Personen, d. h. Pauschalität als Ersatz für konkrete
Feststellungen. Das ersetzt bis heute bei Gerichten und Verwaltungsbehörden alle
Nachforschungen, Dem hat sich auch das Bundesverfassungsgericht unterworfen und
benutzt die Begriffe Parteilichkeit und
Systemfreue. Der Autor meint, ein Blick in das Grundgesetz hätte dem Bundesverfassungsgericht gut getan. !n absehbarer
Zeit sei nicht damit zu rechnen, dass
sich der Gesetzgeber besserer Einsicht beugt und das Bundesverfassungsgericht
befinde sich in gefährlichem
Strudel von Machtpolitik und Zeitgeist Hand
in Hand mit den Medien, die bestimmen, was der Bürger zu denken habe. Das sei ein gewaltiger
Verlust an Rechtskultur, wenn die Rechtsverwirklichung sich dem informellen
Zeitgeist unterwirft Der Wert der vorliegenden Schrift besteht neben einer
akribischen Darstellung der Versorgung und Überleitung mit ihren Verwerfungen insbesondere
auch in der Forderung der Prüfung
der Übereinstimmung
vieler Rechtsbereiche, die das Eigentum berühren, mit dem Grundgesetz. Die Schrift ordnet
sich In die vielfachen Äußerungen von
Wissenschaftlern, z. B. Prof. Dr. Dr. Merten und kompetenten Praktikern ein und
ergänzt
diese. Die Schrift führt
den Leser zu dem Schluss, wenn die Strafverfolgung aus wohl erwogenen Gründen versagt hat, kann
das Sozialversicherungsrecht nicht an seine Stelle treten. Umfassende Fußnoten und ein
ebensolches Literaturverzeichnis ergänzen die wissenschaftliche Substanz.