01.03.13                                             E-Paper

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Wann ist ein Terrorist ein Terrorist?

Ehemaliger MfS-Offizier vor dem Landgericht

Von Peter Kirschey

Vor dem Berliner Landgericht begann gestern die Berufungsverhandlung, in der sich der ehemalige MfS-Offizier Wolfgang Schmidt gegen eine Verurteilung des Amtsgerichts wegen »Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener« wehrt.

Es ist eine alte Geschichte, ein alter Fall, nur das Gericht ist neu. Die höhere Instanz soll nun entscheiden, ob der ehemalige MfS-Mitarbeiter Wolfgang Schmidt den in der DDR 1952 zum Tode verurteilten und hingerichteten Johann Burianek einen Banditen und Terroristen nennen darf. Schmidt hatte auf der Internetseite www.mfs-insider.de auf die Rehabilitierung Burianeks 2005 durch die bundesdeutsche Justiz reagiert. Doch erst viele Jahre später fiel es dem Gedenkstättenchef des ehemaligen MfS-Gefängnisses Hubertus Knabe auf, dass da etwas im Internet steht, was so gar nicht in das herrschende Weltbild passt. Der Fall Schmidt war geboren. Die Amtsrichterin folgte den Knabe-Pfaden und verurteilte Schmidt zu einer Geldstrafe. »Aus dem Umstand, dass Burianek als Mitglied einer Bande und wegen der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags vom Obersten Gericht der DDR verurteilt wurde, folgt nicht, dass man ihn als Terrorist oder Bandit bezeichnen darf«, heißt es in der abenteuerlich anmutenden Urteilsbegründung der Amtsrichterin.

Johann Burianek hatte einiges auf dem Kerbholz, alles ist belegt und nicht in SED-Propagandazentralen ausgeheckt. Er wollte die DDR nicht verlassen, er wollte sie vernichten, um sich einen Ehrenplatz im antikommunistischen Olymp zu sichern. So sollte Burianek im Auftrag der KgU, der Westberliner Terrororganisation »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit«, das große Ding landen und bereitete einen Sprengstoffanschlag auf die Eisenbahnbrücke Erkner vor. Die Ladung sollte explodieren, wenn der so genannte Blaue Express von Wünsdorf, Sitz des sowjetischen Oderkommandos, nach Moskau die Brücke passiert. Alles war vorbereitet, der Koffer mit Sprengstoff und Zünder bereits deponiert, doch das Attentat scheiterte in letzter Minute. Die KgU wurde in den späten Jahren der Kalten-Kriegs-Ära zurückgepfiffen. Zu viele der in der jungen und schwachen DDR operierenden, vor allem jugendlichen Terrorgruppen waren aufgeflogen, ihre Mitglieder landeten hinter Gittern, während die Bosse im sicheren Westberlin saßen. Das alles ist Geschichte.

Zwei Verhandlungstage sind für den Prozess vorgesehen. Gestern trug Wolfgang Schmidt seine Sicht auf die Ereignisse der 50er Jahre, die Rehabilitierung Burianeks und seine Verurteilung durch die Amtsrichterin vor. So ist es bemerkenswert, dass das terroristische Wirken Burianeks für die KgU bei Schmidts Verurteilung völlig ausgeblendet wurde. Die Entscheidung wird wahrscheinlich am 18. März fallen. Zwischen den beiden Verhandlungen wollen sich die Richterin und die beiden Schöffen mit Dokumenten vertraut machen, um besser verstehen zu können, was damals geschah. Eines steht jetzt schon fest: Es gehört eine gehörige Portion Mut dazu, einem ehemaligen hohen Offizier des MfS recht zu geben.