junge Welt

28.09.2012 / Inland / Seite 5

Bombenleger kein »Bandit«

Amtsgericht Berlin-Tiergarten wertet entsprechende Bezeichnung des Saboteurs Burianek  als »Verunglimpfung«

Daniel Bratanovic

Wer den am 2. August 1952 in der DDR hingerichteten Johann Burianek einen »Banditen« und »Anführer einer terroristischen Vereinigung« nennt, macht sich wegen der »Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener« strafbar. Zu diesem Urteil gelangte die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht Berlin-Tiergarten am Donnerstag. Der frühere Offizier des MfS der DDR, Wolfgang Schmidt, hatte Burianek auf der von ihm betriebenen Internetseite mfs-insider.de mit den entsprechenden Bezeichnungen belegt. Daraufhin hatte Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Anzeige erstattet. Die Richterin folgte weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte Schmidt zu 40 Tagessätzen ä 30 Euro.

Burianek verübte zwischen 1951 und 1952 als Mitglied der antikommunistischen »Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit« (KgU) in der DDR zahlreiche Sabotageakte. Sein größter Coup sollte die für den 21. Februar 1952 vorgesehene Sprengung einer Eisenbahnbrücke in der Nähe von Erkner bei Berlin werden, um den »Blauen Express«, den D-Zug Berlin-Warschau-Moskau zum Entgleisen zu bringen. Den dafür notwendigen Sprengstoff erhielt er von der KgU. Das Unternehmen schlug fehl, und Burianek wurde kurze Zeit darauf von den Sicherheitsorganen der DDR festgenommen. Am 15. Mai desselben Jahres verurteilte ihn das Oberste Gericht der DDR zum Tode.

 Auf Initiative der »Arbeitsgemeinschaft 13. August« erklärte das Landgericht Berlin 2005 das Urteil des Obersten Gerichts für rechtswidrig und aufgehoben. Burianek war damit nach offizieller Rechtsprechung der BRD rehabilitiert.            Diese Rehabilitierung war Wolfgang Schmidt damals Anlaß, an den verhinderten Bombenleger als einen »KgU-Banditen« zu erinnern, um, wie er schrieb, auf die »Heuchelei« der BRD aufmerksam zu machen, die sich doch den Kampf gegen den Terror auf die Fahnen geschrieben habe. In seiner Erklärung vor Gericht am Donnerstag warf Schmidt die Frage auf, wie es überhaupt möglich sei, »jemanden zu verunglimpfen oder in seiner Ehre zu verletzen, indem man die Wahrheit über ihn sagt«. Eine Rehabilitierung ändere nichts an der Fakten- und Beweislage. Ihm sei nicht bekannt, daß die damals erhobenen konkreten Anklagepunkte in irgendeiner Weise widerlegt worden seien. Von einer Bande sei dann zu sprechen, wenn sich Personen zur systematischen Begehung von Straftaten zusammengeschlossen hätten. »Mitglieder einer Bande nennt man gewöhnlich Banditen. Wenn jemand mit einem Sprengstoffkoffer ausgerüstet Eisenbahnbrücken in die Luft sprengen bzw. Züge auf Brücken zum Entgleisen bringen will und dabei skrupellos mit dem Leben Hunderter von Menschen spielt, dann ist das eindeutig Terrorismus, auch dann, wenn solche Taten nicht vollendet werden können«, führte Schmidt aus.

Inhaltliche Argumente, die die Richterin nicht anfochten. Sie begründete ihr Urteil rein formal. Welchen Sinn denn eine Rehabilitierung habe, wenn man den Betroffenen weiterhin einen Terroristen nennen könne, fragte sie. Außerdem befänden sich die von Schmidt getätigten Äußerungen am Rande einer Schmähkritik, die nicht durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerungen gedeckt seien. »Bandit« sei eben kein juristischer Begriff, sondern habe stets einen beleidigenden Beiklang. Allerdings wurde deutlich, daß die Urteilsbegründung so formal nun doch nicht  war. Burianek, ergänzte die Juristin, »war das Opfer einer Gewalt- und Willkürherrschaft«, die dadurch gekennzeichnet sei, daß sie »das eigene Volk bespitzelt, drangsaliert und Karrieren zerstört« habe.

Ein politischer Prozeß auf der Grundlage einer konstruierten Anklage, befand Schmidts Verteidiger Hans Bauer. Von objektiven Maßstäben könne keine Rede sein. Das Urteil vom Donnerstag ist nicht rechtskräftig. Bauer kündigte eine Berufung vor dem Berliner Landgericht an.